Erinnerungskultur
“Es ist wichtig, die Verbrechen der NS - Euthanasie aufzuarbeiten und die Erinnerung daran wach zu halten, damit sich die Geschichte niemals wiederholt.“ (Dr. Pühringer, Landeshauptmann von Oberösterreich 1995 bis 2017)
Gremsdorf
"Spuren" von Menschen teilweise abtransportiert auf Bahngleisen, heßt das Mahnmal welches heute in Gremsdorf zu finden ist. Aus fünf solcher Schienenstücke wurde es im Jahr 2011 am einstigen Bahngelände und heutigen Fahrradweg erbaut.
Das Mahnmal - überschrieben mit dem Wort „Spuren“ – erinnert an Menschen, die „nicht gepasst und nicht funktioniert haben“ und deren Spuren sich in der Geschichte verloren haben.
Jeweils am 1. Juli, dem ersten Tag, an dem kein Gremsdorfer Bewohner mehr fürchten musste, wird in einem Gottesdienst um „Kraft und Liebe füreinander, auch wenn der andere nicht dieselbe Sprache, dieselbe Herkunft oder dieselbe Religion hat“ gebeten und in einer Gedenkfeier Spuren auf dem Mahnmal hinterlassen, die für unsere Fragen stehen: „Wo fängt Behinderung an?“, „Wo hört Normalsein auf?“, „Wer entscheidet, wer leben darf und wer sterben muss?“ „Was unterscheidet mich von den Opfern von damals?“ „Wer von uns wäre wohl heutzutage betroffen?“
Das steht für unsere klares Bekenntniss vor Gott und aller Welt, dass „jeder einzelne von uns ein Wunder ist, gewollt von Gott“.
Straubing
„Gedenken und Mahnen“ lautet der Titel verschiedener Bildungsangebote für Menschen mit Behinderung und Mitarbeitende in Niederbayern.
Dabei ist es den Verantwortlichen wichtig, dass zwei Aspekte beachtet werden: Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus; auch in Straubing kamen viele Menschen um, wurden in die Tötungsanstalt nach Hartheim gebracht oder starben in Bezirkskliniken. Mahnen, damit dies nicht mehr passiert.
Dazu finden in Straubing verschiedene Aktionen statt. Seit einigen Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit mit der FOS/BOS. Im Rahmen dieses Kontaktes fand 2019 ein Projekt zu diesem Themenbereich statt. Schüler:innen des Zweiges „Gestaltung“ setzten sich mit der NS-Zeit auseinander und gestalteten Gedenktafeln, die heute im sogenannten „Pulverturm“, dem zentralen Gedenkort der Stadt Straubing, hängen. Das Triptychon aus drei Bronzetafeln trägt die Namen von 130 Menschen mit Behinderung, die ermordet wurden.
Menschen bekamen dadurch einen Platz und einen Namen. Gestaltet von jungen Frauen, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass Menschen in der Stadt nicht vergessen werden.
Zudem befindet sich am Gelände der Behindertenhilfe Niederbayern ein Denkmal "Spiegel". Welches in ähnlicher Form auch in Hartheim zu finden ist. Der Spiegel soll uns ermutigen hineinzuschauen, die Menschen darin zu zu erkennen, oder auch als verschwommene Strukturen der Vergangenheit wahrzunehmen. Man könnte darin Personen erkennen, die sich austauschen, zudem ist das christliche Symbol des Kreuzes symbolisiert. Es regt zu Fragen an: Was kann ich selbst verändern? Was kann ich tun, damit soetwas nicht mehr passiert und wie kann ich die Inklusion weiter fördern? Dieser besondere Ort des Gedenkens wurde von Menschen mit Behinderung, Mitarbeitenden und Führungskräften entwickelt und umgesetzt.
Reichenbach
Die Erinnerung an dieses furchtbare Geschehen aber auch das Gedenken an die einzelnen Opfer, das Schicksal so vieler Menschen mit Behinderung und die brutale Beendigung ihres Lebens, ihrer Lebensträume und -wünsche soll wachgehalten werden.
Deshalb gibt es seit 2016 zusätzlich zum Gedenkstein an die Deportationsopfer im Klosterfriedhof einen weiteren Ort:
Die Gedenknische mit dem „Buch des Lebens“ im Klosterkreuzgang.
Dieses Buch, in dem jeder Bewohner verzeichnet ist, hält die Erinnerung an die Getöteten wach. Jedem Opfer ist eine Seite gewidmet. Auf handgeschöpftem Papier ist jeder Name kalligrafiert.
Das sog. „Buch des Lebens“ (Offb 3,5) steht für respektvolles Erinnern aber auch für die Hoffnung, dass Gott gerade an der Seite der Verfolgten, Gedemütigten und unschuldig Getöteten steht. Auch wenn die Mächte der Welt die Schwachen verachten – bei Gott ist jeder mit seinem Namen verzeichnet und geliebt. Dafür stehen auch die 405 Lichter des Gedenkortes, die von der Decke strahlen.
Im Rahmen der berufsspezifischen Vertiefung bekamen einzelne Fach-Schülerinnen und Schüler der Heilerziehungspflege mit ihren Lehrerinnen Marianne Pelz und Monika Rückert einen Input in Kalligrafie von Hans Maierhofer aus Regensburg. Anschließend wurde den 405 deportierten Bewohnern von Reichenbach mit der schönsten Schrift ein Namen gegeben. Das Buch wurde gebunden vom Buchbinder Weber aus Cham, die Lederbügel wurden in der Justizvollzugsanstalt in Straubing gefertigt. Der Schriftzug im Deckel des Buches stammt von Hans Maierhofer. Insgesamt war die Nische, in der das Buch hinter Glas aufbewahrt wird, ein Gemeinschaftswerk der Handwerker im Haus. Der Sternenhimmel über dem Buch wurde mit 405 Lichtern versehen – für jeden deportierten Bewohner eines. Die Ideen wurden von allen Gewerken (beteiligt waren: Mauerer, Maler, Schreiner, Elektriker, Schlosser) aufgegriffen und entsprechend der Möglichkeiten umgesetzt, angeleitet vom Technischen Leiter Bernhard Röckl.
Ali Stadler hat zur Eröffnung dieses Gedenkortes und der Gedenkveranstaltung "75 Jahre Deportation" am 12. Mai 2016 sein Lied „Als die grauen Busse kamen“ geschrieben - es ist zusammen mit dem „Buch des Lebens“ ein Zeichen tiefen Respekts vor den unschuldig getöteten Menschen und eine auch heute ins Herz gehende Mahnung, jeden Menschen in seiner Würde zu achten. Das Lied finden Sie hier zum Anhören.
Bilder Referenzen:
Reichenbach - Fotos: Urlich Doblinger
Straubing - Fotos: Barbara Eisvogel und Katharina Werner
Gremsdorf - Foto: Milena Feigenbaum