In einer Zeit, in der das Bewusstsein für die Vielfalt menschlicher Bedürfnisse stetig wächst, blicken die Barmherzigen Brüder auf eine lange und traditionsreiche Geschichte der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen zurück. Frühzeitig erkannten die Verantwortlichen innerhalb der Einrichtung die spezifischen Herausforderungen und besonderen Bedürfnisse von Menschen im Autismus-Spektrum. Was vor vielen Jahren als ein erster Schritt begann, hat sich in den Landkreisen Cham, Schwandorf und Regensburg zu einem umfassenden und differenzierten Angebot entwickelt, das weit über die reine Versorgung hinausgeht.
Das Engagement der Barmherzigen Brüder in den Landkreisen Cham, Schwandorf und Regensburg ist ein wichtiger Beitrag zur Inklusion und Teilhabe von Menschen im Autismus-Spektrum. Ihre langjährige Erfahrung und ihr kontinuierliches Bestreben, die Angebote an die sich stetig weiterentwickelnden Erkenntnisse im Bereich Autismus anzupassen, machen sie zu einem verlässlichen Partner für Betroffene und ihre Familien in der Region.
Oftmals fehlt es in der Bevölkerung an direkten Berührungspunkten mit Menschen im Autismus-Spektrum. Diese relative Unkenntnis kann dazu führen, dass die spezifischen Bedürfnisse von Autistinnen und Autisten im Alltag leicht übersehen werden. Um denjenigen eine Stimme zu geben, deren Perspektiven oft ungehört bleiben, haben Jens Götz, Psychologe im Fachdienst der Barmherzige Brüder Behindertenhilfe Oberpfalz, und Ausbildungsbegleiterin Stephanie Settles ein besonderes Konzept ausgearbeitet: Unter dem Motto „Hören wir zu“ erhielten verschiedene Bewohner der Einrichtung, die im Autismus-Spektrum leben, die Möglichkeit, ihre Gedanken, Wünsche und Erfahrungen direkt an eine breite Öffentlichkeit zu richten. In persönlichen Interviews konnten sie ihre individuellen Sichtweisen darlegen und so einen wertvollen Einblick in ihre Lebenswelt gewähren.
Klarheit und Direktheit
Ob es sich um die Gestaltung von Umgebungen handelt, die sensorische Überreizung vermeiden, oder um Kommunikationsformen, die auf Klarheit und Direktheit setzen – die Anforderungen autistischer Menschen sind vielfältig und werden in einer nicht darauf ausgelegten Gesellschaft häufig nicht ausreichend berücksichtigt. So wird in den Interviews berichtet, dass Menschen mit Autismus nicht generell soziale Kontakte meiden, sondern dass Situationen mit vielen Reizen sehr überfordernd seien. „Wenn ich zum Beispiel auf so einem Fest bin, dann sind die ganzen Reize halt gleich laut. Also dieser Filter fehlt einfach für die anderen Sachen außen rum, und deswegen ist es dann so anstrengend, sich auf ein Gespräch zu fokussieren. Nach zwei Stunden bin ich einfach erschöpft und müde, dann kann’s passieren, dass ich dann zumache.“ Auch wird immer wieder angesprochen, dass es schwierig ist, sich aufgrund früherer Mobbing-Erfahrungen auf soziale Kontakte einzulassen.
Hinzu kommt, dass rund um das Thema Autismus nach wie vor zahlreiche Vorurteile existieren, die zu Missverständnissen und sozialer Ausgrenzung führen (können). Diese Vorurteile beziehen sich unter anderem auf falsche Annahmen über eine mangelnde Gefühlswelt, was in den Interviews klar wiederlegt wird: „Das ist halt eine andere Art von Gefühlen. Ich sehe zwar, dass der Andere traurig ist, also von meinem Verstand her, aber ich kann das nicht so mitempfinde, also ich kann mich halt schwer hineinversetzen.“ Ein weiterer Interviewpartner berichtet, dass er traurig und schockiert war, als ein Mitbewohner verstorben ist - genauso wie alle anderen in seinem sozialen Umfeld. Weitere Vorurteile reichen auch hin bis zur Stigmatisierung als „andersartig“ oder „schwierig“.
Vielfalt anerkennen
Ein Satz, der in der Begleitung von Menschen mit Autismus verbreitet ist, lautet: „Kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten.“ Das bedeutet, dass auch Menschen mit Autismus so verschieden sind, wie alle anderen auch. So gibt es natürlich das Stereotyp vom strengen Lehrer, das auf manche davon auch zutreffen mag, jedoch bei weitem nicht auf alle.
Auch die Ansicht, dass Autismus eine Krankheit sei hält sich noch immer hartnäckig. „Dieses Vorurteil stimmt ja nicht, weil eine Krankheit ja heilbar ist, Autismus aber nicht“, ergänzt ein weiterer Gesprächspartner. Es sei eine andere Art der Wahrnehmung. Ein Anderer ergänzt: „Ich nehme die Umwelt etwas anders wahr. Ich bin sehr perfektionistisch veranlagt, und Ordnung beziehungsweise eine feste Tagesstruktur sind sehr wichtig für mich.“
Trotz der Herausforderungen, die das Leben mit Autismus mit sich bringen kann, vermitteln die Aussagen der Interviewten eine positive Botschaft. Sie sehen Autismus nicht als etwas Negatives, sondern als eine andere, aber gleichwertige Art, die Welt zu erleben. Ihre Perspektiven fordern dazu auf, die Vielfalt menschlicher Wahrnehmung anzuerkennen und Vorurteile durch echtes Zuhören und Verstehen zu ersetzen.